Offener Brief an die Kantonsregierungen zum Handygebrauch an den Schulen
Nur noch Bits und Bites im Kopf

Das Lehrernetzwerk Schweiz hat den Bildungsdirektionen der Deutschschweiz und ihren Volksschulämtern einen offenen Brief zugestellt und die Verantwortungsträger aufgefordert,

  • ein flächendeckendes Handyverbot an den Schulen zu prüfen,
  • den Einsatz von digitalen Geräten an den Primarschulen zu reflektieren und einzuschränken,
  • die Eltern und die Schüler in Bezug auf die Nebenwirkungen der Digitalisierung und des Medienkonsums zu sensibilisieren.

 

Offener Brief

  • An die Erziehungs- und Bildungsdirektoren der Deutschschweizer Kantone
  • An die Volksschulleiterinnen und Leiter
    An die Erziehungsdirektorenkonferenz EDK

Sehr geehrte Damen und Herren

Die Nidwaldner Bildungsdirektion hat anfangs Mai zusammen mit den Schulleitungen den privaten Handygebrauch an den Schulen aufs neue Schulsemester hin flächendeckend verboten. Ab August gilt auch an der Aargauer Volksschule ein Handyverbot. Der Erlasse zielen darauf ab, den Schülerinnen und Schülern einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu vermitteln und gleichzeitig negative Auswirkungen auf den Unterricht und das Sozialverhalten zu minimieren. Das begrüssen wir ausdrücklich.

Wir wissen, dass im Kanton (in allen Kantonen) schon zahlreiche fortschrittliche und umsichtige Schulleitungen den Smartphonegebrauch und allgemein den Gebrauch von digitalen Medien ihrer Schülerinnen und Schüler in den Klassenzimmern eingeschränkt oder sogar verboten haben. Dennoch ermutigen wir Sie so höflich wie auch besorgt, mit den Kanton Aargau und Nidwalden gleichzuziehen und in Ihrem Kanton ein flächendeckendes Verbot für den privaten Handykonsum im ganzen Schulbereich zu prüfen.

Mit Dringlichkeit verweisen wir dabei auf zahlreiche Studien, die die fatalen Nebenwirkungen eines hohen Handykonsums beschreiben und belegen:

 

Wissenschaftliche Evidenz: Warum ein Kurswechsel nötig ist

Studien des King’s College London (2024): Zwei Studien mit Jugendlichen im Alter von 13 bis 18 Jahren zeigten, dass problematische Smartphone-Nutzung (PSU) mit erhöhten Raten von Angstzuständen, Depressionen und Schlaflosigkeit verbunden ist. Bei 16- bis 18-Jährigen war das Risiko für Depressionen fast dreimal so hoch wie bei Gleichaltrigen ohne PSU.
(Quelle: Psylex+1euronews+1)

WHO HBSC-Studie (2022):  DE Die WHO stellte fest, dass elf Prozent der Jugendlichen in Europa eine problematische Nutzung sozialer Medien aufweisen, was mit suchtähnlichem Verhalten und negativen Folgen im Alltag einhergeht. Mädchen sind dabei häufiger betroffen als Jungen.
(Quelle: Jugendliche, Bildschirme und psychische Gesundheit)

Südkoreanische Studie (2023): Eine Analyse von über 50.000 Jugendlichen ergab, dass eine tägliche Smartphone-Nutzung von mehr als vier Stunden mit erhöhtem Stress, Schlafproblemen, Depressionen und Suizid korreliert. Diese Schwelle wird als kritischer Punkt für gesundheitliche Risiken angesehen.
(Quelle: Kinderaerzte im Netz+2MedizinDoc – Tipps für mehr Gesundheit+2Die pädagogische Wende+2)

Meta-Analyse von 41 Studien: Eine umfassende Untersuchung von 41 Studien mit über 40.000 Jugendlichen zeigte, dass etwa 25 Prozent der Jugendlichen unter problematischer Smartphone-Nutzung leiden, was mit erhöhtem Risiko für Angstzustände, Depressionen und Schlafstörungen einhergeht. (Quelle: Psylex+3Axios+3euronews+3)

Jonathan Haidt: «Generation Angst»: Auch der Psychologe Jonathan Haidt warnt vor der intensiven Nutzung von Smartphones und sozialen Medien seit den 2010er-Jahren. Sie habe zu einem Anstieg von Angststörungen, Depressionen und Selbstverletzungen bei Jugendlichen geführt. Haidt fordert Massnahmen wie Smartphone-Verbote für Kinder unter 14 Jahren und handyfreie Schulen.
(Quelle: DIE WELT)

Weitere beobachtete Effekte

  • Soziale Isolation durch «Phubbing»: Das Ignorieren von Mitmenschen zugunsten des Smartphones kann bei Jugendlichen zu Einsamkeit, Depressionen und Angst führen.
    (Quelle: Apotheken Umschau)
  • Neurologische Veränderungen: Übermässige Smartphone-Nutzung ist mit Veränderungen im Frontalhirn verbunden, die kognitiven Funktionen und die Emotionsregulation beeinträchtigen können.

Petition an den Bundesrat:

Unterstütze die Petition „Schützt unsere Kinder – Likes sind kein Kinderrecht. Social Media erst ab 16“. 

Das wird gefordert:

  • Einführung einer gesetzlichen Altersgrenze von 16 Jahren für Social Media – analog zu Alkohol, Tabak oder Glücksspiel
  • Unterstützung einer nationalen Präventions- und Aufklärungsstrategie für Eltern, Schulen und Kinder
  • Verpflichtung der Plattformen zur zuverlässigen einer Altersverifikation.
  • Kurskorrektur beim Einsatz digitaler Geräte an den Primarschulen

Darüber hinaus appellieren wir, den Einsatz von Tablets und Computer für Schüler zu reduzieren und an Primarschulen gänzlich darauf zu verzichten. Denn wir beobachten besorgt, dass die digitalen Geräte an den Schulen die Lehrer und Lehrerinnen teilweise ersetzen und den beziehungsbasierten Unterricht reduzieren. So werden an gewissen Schulen die Kinder beispielsweise angehalten, einen Vortrag über den Feldhasen mit dem Computer zu erstellen (Recherche übers Internet, Copy-Paste), statt mit dem Revierförster zu sprechen. Wir müssen Sie nicht davon überzeugen, welche der beiden Methoden den höheren Lernerfolg erzielt.

Denn seit 2008 ist erwiesen, dass die Qualität der Beziehung zwischen den Menschen – also zwischen Lehrern und seinen Schülern – den Lernerfolg am stärksten beeinflusst. Das zeigt die umfassende Meta-Analyse, die von John Hattie, einem neuseeländischen Bildungsforscher, durchgeführt worden ist. Seine Arbeit ist unter dem Titel Visible Learning bekannt. In dieser Studie analysierte Hattie über 800 Meta-Analysen, die wiederum mehr als 50’000 Einzelstudien mit Daten von rund 250 Millionen Lernenden zusammenfassen. (Quellen:
St. Galler Tagblatt+1Wikipedia+1
Wikipedia+10VISIBLE LEARNING+10Wikipedia+10
– Ewi Psy+8Martina Rüter+8St. Galler Tagblatt+8 )

Positive, lernzentrierte Lehrer-Schüler-Beziehungen sind also entscheidend für aktives Lernen. Solche Beziehungen zeichnen sich durch emotionale Wärme, Vertrauen und gegenseitigen Respekt aus und fördern nicht nur akademische Leistungen, sondern auch das allgemeine Wohlbefinden der Schüler. Es befremdet uns darum, dass diese Erkenntnisse anscheinend von vielen Bildungsdepartementen zu wenig stark gewichtet werden und im Gegenteil in vielen Kantonen der Druck besteht, die Digitalisierung der Kinderwelt voranzutreiben – bis hin zur Einführung von Tablets auf Kindergartenstufe.

Aufgrund der negativen Resultate hat die schwedische Regierung die unselige Entwicklung gestoppt und beschlossen, insbesondere in den unteren Klassenstufen wieder verstärkt auf gedruckte Schulbücher und analoge Lernmittel zu setzen. Dafür wurden 60 Millionen Euro investiert, um Schulbücher für Grundschüler bereitzustellen

Mit diesem Hintergrund fordern wir Sie auf,

  • die Digitalisierung des Schulunterrichts an Primarschulen zu stoppen
  • den Handygebrauch anlog des Kantons Nidwalden einzuschränken
  • die Medienkompetenz der Eltern und der Schüler mit Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen zu fördern.

Nur diese Massnahmen helfen, wieder an frühere Lernerfolge anzuknüpfen, die psychische Gesundheit von Jugendlichen zu schützen und einen verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien zu fördern.

Wir bitten Sie um eine Rückmeldung bis zum 20. Juni, in der Sie darlegen, wie Sie mit den dargestellten Herausforderungen umzugehen gedenken. Ihre Antwort wird in unsere weitere Öffentlichkeitsarbeit einfliessen.

Freundliche Grüsse

Lehrernetzwerk Schweiz

Johanna Mejri
Vizepräsidentin

Daniel Wahl
Geschäftsleiter

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