Leistungsabbau wegen integrativer Schule

Ob Schüler den Unterricht stören oder ob sie aufgrund einer Beeinträchtigung eine intensive Betreuung innerhalb der Klasse benötigen – sie verhindern ein ruhiges Lernklima. Letztlich tragen sie dazu bei, dass das Leistungsniveau in den Klassen sinkt, weil sich alle weniger auf die Lerninhalte konzentrieren können. Dies zeigen die Resultate einer Umfrage der «Starken Schule beider Basel» (SSbB), an der 786 Personen teilnahmen, davon 664 Lehrer.
(Dieser Artikel erschien zuerst in unserem neuen Magazin «Lehrernetzwerk Fokus»)
Für das heutige System der integrativen Beschulung fallen die Umfrageresultate vernichtend aus (Grafik 1): Auf einer Skala von 0 (Nein, überhaupt nicht) bis zu 10 (Ja, auf jeden Fall) konnten die Umfrageteilnehmer ausserdem einschätzen, ob und wie stark sich Integrationen von verhaltensauffälligen Kindern, die den Unterricht häufig massiv stören, zu einem Abbau der Leistungen aller Schüler einer Klasse führen: 72,7 Prozent setzen Werte zwischen 7 und 10 und beurteilen damit den negativen Einfluss als erheblich ein.
Integrative Schule vermindert Chancengleichheit
Vor der Umstellung von Förderklassen zur Integration wurden Unterrichtsstörungen als Defizite gesehen, weil sie den Bildungserfolg der Lernenden beeinträchtigen. Stark verhaltensauffällige Kinder wurden Förder-, bzw. Kleinklassen oder in schweren Fällen Sonderschulen zugeteilt, wo sie von hochqualifizierten Lehrerinnen und Lehrer mit heilpädagogischer Ausbildung betreut wurden. Vielen gelang so der reibungslose Eintritt in die Berufswelt. Ohne dieses Modell wären diese Erfolge kaum möglich gewesen.
Der Wechsel zur integrativen Schule änderte alles: Im Namen der Chancengleichheit wurden fast alle Schüler in Regelklassen integriert. Die Personalkosten stiegen, der Erfolg blieb jedoch aus. Die Chancen sind ungleicher verteilt denn je, und überdies lernen fast alle weniger als im Rahmen der früheren schulischen Separation.
Die Zustände in den Integrationsklassen sind heute oft haarsträubend chaotisch und weit entfernt von einer positiven Lernatmosphäre. Schüler, Eltern und Lehrer sind gleichermassen frustriert.
Die Einsicht in das Scheitern des integrativen Bildungssystems setzt sich in der Fachwelt und der Politik allmählich durch, wohingegen es für einige Schreibtischtäter ohne umfassende Unterrichtserfahrung in den Verwaltungen und an den pädagogischen Hochschulen offenbar noch immer einen Tabubruch darstellt, dieses Scheitern einzugestehen. Ihnen ist das Festhalten an den eigenen ideologisch gefärbten Überzeugungen wichtiger als das Wohlergehen und der Erfolg der Schüler und der Lehrerinnen und Lehrer.
Umfassender Handlungsbedarf ist angezeigt
Gemäss den letzten Pisa-Studien ist die Leistung der Schülerinnen und Schüler gesamtschweizerisch stetig gesunken. Die Ursachen sind vielschichtig: Die exzessive Digitalisierung, gesellschaftliche Veränderungen und die wenig durchdachten und von oben aufoktroyierten Bildungsreformen spielen ebenso eine Rolle wie die praxisferne Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen.
Gegen den Leistungsabfall
Soll ein weiterer Leistungsabfall verhindert werden, sind grundsätzliche Veränderungen notwendig: Die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer muss sich im fachlichen Bereich markant verbessern. Zum Erreichen der Lernziele gehören das stetige Üben und Trainieren, das Einfordern von Anstandsregeln und die Förderung sozialen Verhaltens der Jugendlichen. Und schliesslich sind auch die Eltern gefordert, ihre Erziehungspflichten wahrzunehmen.
Die Umfrage der SSbB zeigt unmissverständlich: Lernwirksamer Unterricht für alle ist nur mithilfe von Förderklassen für lernschwache und/oder verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche möglich. Unruhe im Klassenzimmer führt zu Leistungsabbau, was sich gerade in naturwissenschaftlichen und sprachlichen Fächern deutlich manifestiert. Eine optimale Lernumgebung, in welcher sich alle Schüler wohlfühlen und konzentriert arbeiten können, ist entscheidend.
Von Jürg Wiedemann, Vorstandsmitglied der «Starken Schule beider Basel»