Digitales, selbstgesteuertes Lernen an Primarschulen muss gestoppt werden
Generation Angst. Die Bildungsdirektionen fördern das digitale, beziehungslose Lernen an den Schulen nahezu unkritisch. Bild: AI

Länder, welche Digitalisierung der Schule vorangetrieben haben, krebsen wieder zurück. Nicht aber die Schweiz, trotz bedenklicher Indikatoren auf die mentale Gesundheit unserer Kinder.

(Dieser Artikel erschien zuerst in unserem neuen Magazin «Lehrernetzwerk Fokus» und ist mit dem neuen Fahrplan des Luzerner Kantonspolitikers Christian Schumacher aktualisiert worden.)

 

Aus Schaden wird man klug: Länder wie Schweden und Norwegen, die auf Tablets und Computer setzten, haben einen digitalen Marschhalt eingelegt und kehren zu Papier und Stiften zurück. Griechenland, Ungarn und Italien starteten das neue Schuljahr ohne Handy. Frankreich testet die digitale Pause an 200 Schulen mit einem Handyverbot. Australien plant, Kindern unter 16 Jahren den Zugang zu Instagram & Co. zu verbieten.

Beziehungen leiden

Die Bildungsverantwortlichen, die mit der Digitalisierung an ihren Schulen lange vor der Schweiz vorgeprescht sind, haben erkannt: Lernerfolg sowie die Beziehungen zwischen Schülern und Lehrern und unter den Kindern haben durch den Einzug von Computern und Smartphones gelitten. Soziologen und Autoren wie Jonathan Haidt (Generation Angst) dokumentieren einen Zusammenhang zwischen verminderter schulischer Leistung, Konzentration, Depression, Isolation und Bewegungsarmut, insbesondere durch den Konsum von Smartphones und Social Media. Haidt sagt zusammengefasst: «Es ist mental ungesund, wenn unsere Kids und Teenager in wichtigen Entwicklungsphasen des jungen Gehirns zu viel Zeit mit technologischen Tools in digitalen Welten verbringen und viel zu wenig Reales (er-)leben und erkunden. Dies verhindert, dass sie genug Zeit zum Erlernen von realen Fähigkeiten haben, die für ein späteres gesundes, mündiges Leben in der realen Welt nötig sind.»

Die Kausalität ist nicht bewiesen, aber Hinweise gibt es zuhauf, 

  • dass die entkörperlichte, abstrakte digitale Welt Angst machen kann,
  • dass der schnelle Verlust von Gemeinschaft (community) in der virtuellen Umgebung Depressionen verursachen kann
  • dass die Digitalisierung Schlafmangel und suchtähnliches Verhalten verursachen kann
  • dass die Beschäftigung mit den digitalen Geräten Zeit raubt, das Leben mit Freunden zu teilen (soziale Deprivation).

Trotz dieser Indikatoren will sich die verschlafene Schweiz derzeit zum Musterknaben aufspielen. Eine geradezu unkritische Haltung gegenüber der Digitalisierung bekundet Beat A. Schwendimann, Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle des Dachverbands der Lehrer (LCH). «Schulen sind schon auf einem guten Stand, die Digitalisierung beginnt ja nicht erst morgen», ermuntert er.

Auch in den Bildungsdirektionen gibt es Digitalisierungs-Streber – was der Luzerner SVP-Kantonsrat Urs Christian Schumacher, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, bereits erfahren musste. Seinen kritischen Anti-Digitalisierungs-Vorstössen steht der Luzerner Regierungsrat ablehnend gegenüber. Dabei hat Schumacher (mit ihm steht das Lehrernetzwerk Schweiz im engen Austausch) beobachtet, dass die Schülerinnen und Schüler desozialisiert werden: «Sie werden sich selber und ihrem Tablet überlassen, und der Lehrer ist nur noch punktueller Coach, der seine Instruktionen vornehmlich über das Internet erteilt.»


Zwei Ebenen der Digitalisierung

Einschub: Es gibt zwei Ebenen dessen, was unter «Digitalisierung der Schule» zu verstehen ist. Die eine, wohl weniger umstrittene, ist die Digitalisierung der Schulbürokratie. Die andere, umstrittenere, betrifft die Digitalisierung des Unterrichts mit neuen, oft deutlich teureren Lehrmitteln. Dies auf der Primarstufe. Dass die Jugend auf Sekundarstufe auf die digitalisierte Berufswelt vorbereitet werden und Computer-Anwender-Kompetenzen erwerben muss, steht ausser Frage.

Kinder zu digitalen Wesen zu erziehen, sieht der Zukunftsforscher und vierfache Vater Andreas Walker kritisch: «Es ist naiv, blind darauf zu vertrauen, dass der globale Markt, die Masse an Game-, Kosmetik- und Textilproduzenten sowie Tech-Milliardäre, die ihre eigenen Kinder auf konservative Privatschulen schicken, altruistisch und sozialpolitisch verantwortungsvoll sind und nur das Beste für unsere Kinder wollen. Es ist naiv zu glauben, dass unsere Teenies alleine gut entscheiden, sich das alles von alleine auswächst und wir uns neurobiologisch-evolutionär anpassen», sagt Andreas Walker.

Um sich mehr Gehör zu verschaffen und eine breitere Diskussion zur Digitalisierung der Schule zu lancieren, hat Kantonsrat Urs Christian Schumacher eine Petition im Kanton Luzern angekündigt. Titel: «Kein selbstgesteuertes, digitales Lernen an den Primarschulen.»

Ursprünglich plante Schumacher den Start der Petition diesen Februar. Doch aufgrund seiner politisch überfrachteten Agenda hat er die Lancierung der Petition auf kommenden Herbst verschoben. Er wolle sich nochmals mit Fachpersonen im Thema Digitalisierung vertiefen.

Das Lehrernetzwerk Schweiz wird Schumacher nach Kräften unterstützen und die Petition verbreiten. Wir werden Politiker gezielt mit dem Thema konfrontieren, damit auch in anderen Kantonen die Folgen der Digitalisierung überdacht wird.

Daniel Wahl

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