Die integrative Schule könnte jetzt auch im Kanton Aargau abgeschafft werden
integrative Schule
Die gezielte Förderung der Kinder in Förder- und Einführungsklassen entlastet die Lehrerinnen und Lehrer von Regelklassen. Bild: bildungschweiz.ch

Die bürgerlichen Parteien FDP und SVP im Kanton Aargau bringen die Frage nach Förder- und Einschulungsklassen an den Volksschulen erneut aufs Tapet. Nach ihren Wahlerfolgen im vergangenen Herbst und mit der Bildungsrätin Martina Bircher könnte es gelingen, das Konzept der integrativen Schule diesmal abzuschaffen.

In den Nachrichten des Aargauer Fernsehsenders «Tele M1» kündigte die Präsidentin der FDP, Sabina Freiermuth, das Vorhaben an: Man werde gemeinsam mit der SVP an der nächsten Grossratssitzung zwei Motionen einreichen, für die Schaffung von flächendeckenden Förderklassen an den Aargauer Volksschulen.

«Die Regelklassen sind immer stärker belastet, es herrscht sehr viel Unruhe, weil in einer integrativen Schule sehr viele Fachpersonen zeitgleich im Klassenzimmer stehen», sagt Freiermuth. Dies sei nicht zum Vorteil der Kinder. Das jetzige System der integrativen Schule habe seine Ziele verfehlt.

Auftrag für die Bildungsdirektion

Mit den angekündigten Vorstössen wird der Regierungsrat beauftragt, dem Grossen Rat konkrete Vorschläge zur Anpassung des heilpädagogischen Unterrichts ausserhalb der Regelklassen zu unterbreiten. Geplant ist, Kinder in Klein- oder Spezialklassen zu unterrichten, wobei deren Zuteilung regelmässig überprüft werden soll. Denkbar sind sowohl schulhausinterne Förderklassen als auch regional organisierte Lösungen – in jedem Fall geführt von einer eigenen Lehrperson. Die Aufsicht über dieses Angebot würde, analog zur Regelschule, beim Kanton liegen. Das Anliegen der Motionäre läuft auf eine umfassende Auslagerung aller heilpädagogischen und unterstützenden Massnahmen in Förderklassen hinaus.

Seit Jahren ähnliche FDP-Vorstösse

Das Aargauer Parlament beschäftigt sich schon seit Jahren mit ähnlich lautenden Vorstössen der FDP. Mehrheitlich hat der Regierungsrat sie abgelehnt oder war nur bereit, die Vorstösse in Form von wenig verbindlichen Postulaten entgegenzunehmen. Die letzte FDP-Motion für die Einführung einer flächendeckenden Führung von Förderklassen datiert vom Sommer 2024. Diese lehnte die damalige Regierung unter Bildungsdirektor Alex Hürzeler mit der Begründung ab, es würde fast die Hälfte aller Kinder betreffen und stehe im Widerspruch zu bundesrechtlichen Vorgaben, denn das Anliegen «nach einer rigorosen Auslagerung sämtlicher heilpädagogischer und anderer Unterstützungsmassnahmen in Förderklassen verlangt eine vollständige Separation aller Schülerinnen und Schüler».

Trendwende im Kanton Aargau?

Der Grosse Rat im Kanton Aargau folgte im vergangenen November der regierungsrätlichen Argumentation und lehnte die FDP-Motion mit 75 gegen 53 Stimmen ab. Nun aber könnte das Pendel auf die andere Seite schwenken.

  • Das Parlament im Vorreiter-Kanton Zürich hat vor rund drei Wochen gegen die Argumente der Bildungsdirektion (Regierungsrätin Silvia Steiner) die Rückkehr der Förderklassen befürwortet und unterstützt die «Förderklassen-Initiative». Der Aargau könnte dem Trend folgen.
  • Bei den Aargauer Grossratswahlen im letzten Herbst haben jene Kräfte massiv zugelegt, die ein Ende der integrativen Schule herbeisehnen. Sie dürften von der neuen Bildungsdirektorin Martina Bircher Rückenwind bekommen.
  • Denn Bircher hat in ihrem Zehn-Punkte-Plan, den sie vor den Regierungsratswahlen präsentierte, festgehalten, dass sie die Lehrpersonen stärken sowie genügend Sonderschulplätze und (regionale) Förderklassen ermöglichen wolle.

Die beiden Motionen, welche die Fraktionen der FDP und SVP an der nächsten Grossratssitzung vom 29. April einreichen werden, zielen genau auf diese Punkte ab.

Geschlossen dagegen dürfte die Ratslinke stimmen. Wie Grossrat Alain Burger (SP) gegenüber «Tele M1» Auskunft gab, würde die integrative Schule «längerfristig im Bildungsverlauf der Gesellschaft Vorteile bieten». Ein separativer Weg mit Förderklassen würde den Bedarf an Heilpädagogen erhöhen. Und diese seien nicht vorhanden, argumentiert Burger.

Daniel Wahl

Das Lehrernetzwerk Schweiz befürwortet die Abschaffung der integrativen Schule

  • weil es die Position des Klassenlehrers im Klassenzimmer generell wieder stärkt,
  • weil die Lehrer zu stark mit Disziplinarmassnahmen beschäftigt werden,
  • weil Bürokratie abgebaut und die vielen Absprachelehrläufe reduziert werden könnten,
  • weil Kinder in Förderklassen massgeschneidert entsprechend ihrem Potenzial und Bedarf gefördert werden können.

Mehr dazu in unserem Positionspapier.

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