Kolumne 1: Lehrerinnenzimmer

Ich bin dem Gendern spinnefeind. Überall diese Sterne und Doppelpunkte. Es ist ekelhaft. Es tut jedem Liebhaber der deutschen Sprache im Herzen, nein, mehr, in der Seele weh. Und doch plädiere ich für eine Neubenennung einer wichtigen Institution unserer Bildungslandschaft.

Ich rede nämlich vom Lehrerzimmer. Man sollte es umbenennen. In Lehrerinnenzimmer (ohne Genderstern, nur die weibliche Form). Die rund 30 Prozent Männer wären dann einfach mitgemeint. Und es hat als Mann auch Vorteile, in einem Frauenberuf zu arbeiten, vor allem dann, wenn der Beruf lohntechnisch ein Männerberuf ist. Denn Lehrer verdienen saumässig viel. Ich weiss, mit dieser Aussage mache ich mir wenig Freundinnen, aber sie stimmt trotzdem. Aber eben, der Vorteil ist: Mann wird in diesem Rückzugsrefugium der Pädagogen (sorry: Pädagoginnen) meist gut umsorgt. Eine stellt Blumen hin, eine andere kauft neues Geschirr, eine dritte schaut dafür, dass es auch mal etwas Süsses hat. Ich weiss, das ist jetzt etwas stereotypisch, aber in der Tendenz stimmt’s. Und doch, diese Übermacht der Frauen in den Lehrerinnen- und somit auch in den Klassenzimmern hat auch ihre Schattenseite. Denn Kinder brauchen dringend Menschen beider Geschlechter als Bezugspersonen und Reflexionspunkte. Gerade in einer Gesellschaft, in welcher die Väter oft auch zu Hause fehlen, wäre es dringend notwendig, dass diesem Mangel an Testosteron in den Schulen entgegengewirkt würde.

Vor einiger Zeit sagte mir ein Vater einer Schülerin, als seine Tochter die Primarschule verlassen habe, sei es gewesen, als ob sie aus einem Gefängnis entlassen worden wäre. Natürlich, Gefängnisse gibt es überall und oft sind die Wärter auch Männer. Aber im Fall meiner Schülerin war’s eine Frau und der Vergleich zwischen Schule und Gefängnis liess mich erschaudern. Und rief ein Déja-Vu hervor, denn auch ich verbrachte die sechste Klasse in einem Gefängnis. Unsere Wärterin hat’s sicher gut gemeint, sie war aber sehr humorlos, äusserst verbissen. Sie hat die Schule wahnsinnig ernst genommen und so getan, als ob jede Lektion entscheiden würde über Leben und Tod (ich weiss, ich übertreibe, aber nur leicht).

Ein Grund, weshalb ich, nun selbst Klassenlehrer an der Oberstufe, ein etwas anderes Regime aufziehe, ist vielleicht gerade in diesem Jahr zu suchen, das mir gezeigt hat, wie man es nicht machen sollte. Und meine etwas andere, oft unkonventionelle Art freute den besagten Vater – und die Tochter ohnehin. Nicht, dass ich die Klasse nicht im Griff hätte, aber die Zügel liegen einfach etwas anders. Es gibt nicht nur Galopp, sondern auch Trab. Oft auch Schritt. Und ich glaube, das hat neben dem abschreckenden Beispiel aus meiner eigenen Schulbiografie nicht zuletzt mit meinem Geschlecht zu tun.

Ich mache oft die Erfahrung, dass Männer tendenziell etwas weniger dogmatisch sind, Fünfe mal gerade sein lassen; ihren Unterricht etwas mehr mit Humor würzen. Ich glaube, um es auf den Punkt zu bringen, für Männer ist Erziehung immer Last, ein notwendiges Übel, das man unbedingt aufs Wesentliche beschränkt (wer kennt sie nicht, diese Wochenenden: Die Mutter verreist, nur der Vater und die Kinder, es gibt viel Pizza und sehr wenig Regeln), während die Frauen zum Erziehen geboren zu sein scheinen. Ich habe zum Beispiel noch nie eine Frau kennengelernt, die nicht in irgendeiner Form versucht, ihren Ehemann zu erziehen – meine eigene wunderbare Ehefrau übrigens mitgemeint (ich weiss, ich mache mir mit dieser Aussage noch weniger Freundinnen, aber auch diese Aussage, sie stimmt – leider). Wer jetzt meint, ich schreibe die Frauen schlecht und erhebe uns Männer in den Olymp: Gefehlt! Wären 70 Prozent der Pädagogen Männer, wäre das ebenso verheerend – vielleicht noch verheerender. Es braucht eben beide.

Wie bringen wir nun mehr Männer in die Klassenzimmer? Das wäre ein spannendes Thema für eine nächste Kolumne. Sie lesen also wieder von mir in dieser Sache, sobald ich im Lehrerinnenzimmer den Rat einiger Kolleginnen eingeholt habe – falls sie nach dieser Kolumne noch mit mir reden.

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