E-Mail an Ständerat Andrea Caroni bzgl. befremdlichen Aussagen in der « Arena»

28. Februar 2022

Sehr geehrter Herr Ständerat Caroni

Wir sind erstaunt und irritiert über Ihre Aussagen in der «Arena» des Schweizer Fernsehens vom 18. Februar 2022. Dabei ging es um sogenannte «Turbo-Öffnungen» nach fast zwei Jahren rigidester Eingriffe in unser Privatleben, in die Grundrechte und in die Wirtschaftsfreiheit. Dass Sie dem autoritären Chaos-Management unter der Federführung von SP-Bundesrat Alain Berset überwiegend ein gutes Zeugnis ausstellen, befremdet uns schon einmal sehr.

Vollends nicht nachvollziehbar und geradezu beängstigend sind allerdings die Aussagen, die Sie in der «Arena» zum Umgang mit sensiblen persönlichen Daten gemacht haben. «Eine Pandemie ist für mich vor allem eine Informationskrise», sagten Sie. Und fügten hinzu: «Wenn Sie immer wissen, wer wie infektiös ist, dann gäbe es eigentlich kein Problem.» Hier müsse man «etwas tun».

Kein Wunder, pflichtete Ihnen Alain Berset bei. Er meinte: Wir müssten «unbedingt schauen, ob es nicht auch wertvoll wäre in anderen Bereichen» solche Daten über die Bürgerinnen und Bürger zu sammeln wie in der Pandemie.

Dass Bundesrat Berset offenbar nichts gelernt hat, ist das Eine. Etwas Anderes aber ist die befremdliche Tatsache, dass auch Sie als liberaler Politiker einem solchen totalen Zugriff auf den «gläsernen Bürger» das Wort reden.

Für uns ist etwas klar und unverhandelbar: Ein demokratischer Staat soll und darf nicht alles über seine Bürgerinnen und Bürger wissen. Gerade aus liberaler Sicht. Denn auch Sie müssten doch eines wissen: Am Ursprung des modernen Rechtsstaats stehen die individuellen Bürgerrechte und damit die Trennung von Öffentlich und Privat. Nur totalitäre und theokratische Herrschaftssysteme negieren diesen fundamentalen Unterschied.

«Big Brother is watching you» – das kann nicht das Ziel einer liberalen Politik und eines liberalen Politikers sein. Wir sind sehr befremdet über die Nonchalance, mit der Sie fundamentale Freiheitswerte und Rechte übergehen. Von einem Ständerat, der in der Arena die eine freiheitliche Partei wie die FDP vertritt, erwarten wir eigentlich, dass sein liberaler Kompass richtig eingestellt ist und er sich nicht zum Advokaten der Staatskrake macht.

Ich danke für Ihre geschätzte Kenntnisnahme und grüsse Sie freundlich

Jérôme Schwyzer
Präsident Lehrernetzwerk Schweiz

Antwort:

Sehr geehrter Herr Schwyzer

Da haben wir ja etwas gemeinsam: Mich «befremden und irritieren» gewisse Aussagen des Lehrernetzwerks auch…
 
Aber zur Sache: Meine Aussage stimmt als Beschreibung halt einfach: Eine Pandemie ist technisch gesehen primär eine Informationskrise. Jedoch lässt sich aus der Aussage nicht schliessen, dass man deswegen auch immer alles wissen wollen sollte – das ist mit der Privatspähre abzwägen. «Etwas tun» bedeutet ja nicht «alles tun».
 
Aber in einer globalen Pandemie (die ja nur alle hundert Jahre passiert) wäre ich schon froh, der Staat wüsste etwas mehr, als er heute stellenweise wusste. Denn wenn er zu wenig weiss, greift er zu allzu radikalen Lösungen – wer blind ist, schlägt auch blind um sich. Sobald man z.B. aber wusste, wer geimpft / genesen ist (Zertifikat), konnten die Einschränkungen massiv reduziert werden. Andere Beispiele, wo man zu wenig wusste: Wie viele IPS-Betten haben wir (Spitalkapazitäts-Koordination)? Wer liegt darauf? Wie viele sind in Isolation oder in Quarantäne? Wer hatte engen Kontakt mit jemand Infiziertem (Contact-Tracing)? Wer ist tatsächlich infiziert (Tests)?
 
Ein Ansatz wären bessere digitale Tools, wo jedermann freiwillig einstellen kann, was er von sich preisgeben will. Viele würden dann für den grösseren Nutzen mehr angeben, die andern müssten nicht. So könnten Tools wie z.B. die Covid-App mehr bringen, als sie am Ende geleistet haben.
 
Mit freundlichen Grüssen
Andrea Caroni

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